Darf bei dem Vertrieb von Textilerzeugnissen der Begriff „Cotton“ anstelle von „Baumwolle“ verwendet werden? – BGH

Wir haben in mehreren Informationsdiensten bereits darüber unterrichtet, dass bei dem Handel mit Textilerzeugnissen die Vorgaben der EU-Textilkennzeichnungsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 1007/2011; kurz: TKVO) zu beachten sind. Nach Art. 5 Abs. 1 TKVO dürfen für die Beschreibung der Faserzusammensetzung auf Etiketten und Kennzeichnungen von Textilerzeugnissen nur die Textfaserbezeichnungen nach Anhang I zur TKVO verwendet werden. Trotz der Eindeutigkeit ihres Wortlautes ist diese Regelung regelmäßig Gegenstand von gerichtlichen Entscheidungen. Zuletzt beschäftigte die Gerichte die Fragestellung, ob ausländische Sprachfassungen der im Anhang I zur TKVO verwendeten Begriffe verwendet werden dürfen.

In seinem Urteil vom 31.10.2018, Az. I ZR 73/17, hatte der BGH die Frage zu entscheiden, ob anstelle des in Anhang I zur TKVO verwendeten Begriffes „Baumwolle“ der englisch-sprachige Begriff „Cotton“ verwendet werden darf. Der BGH hat entschieden, dass die Verwendung der Bezeichnung „Cotton“ zwar gegen die Vorgaben der TKVO verstoße, die Interessen der Verbraucher hierdurch aber nicht spürbar im Sinne des § 3a UWG beeinträchtigt würden. Mit anderen Worten: Die Verwendung des Begriffes „Cotton“ ist ein Verstoß gegen die TKVO, der aber die Interessen der Verbraucher nicht beeinträchtigt. Der BGH hat seine Ansicht damit begründet, dass sich der Begriff „Cotton“ in der deutschen Umgangssprache als beschreibende Angabe für „Baumwolle“ eingebürgert habe. Verstehe der angesprochene Durchschnittsverbraucher daher den verwendeten Begriff „Cotton“ ohne Weiteres als „Baumwolle“, benötige er für eine informierte Kaufentscheidung nicht diese Information („Baumwolle“) in deutscher Sprache. Das Vorenthalten dieser Informationen sei daher nicht geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er bei Angabe des deutsch-sprachigen Begriffes „Baumwolle“ nicht getroffen hätte.

Der Beklagte des Verfahrens hatte ferner den englisch-sprachigen Begriff „Acrylic“ verwendet. Da dieser Begriff weder im Anhang I zur TKVO enthalten ist, noch eine sprachliche Einbürgerung erkennbar ist, war nach Ansicht des BGH diesbezüglich ein spürbarer Wettbewerbsverstoß gegeben.

Mit der Thematik der englisch-sprachigen Begriffe hatte sich auch das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 18.10.2018, Az. 2 U 55/18, zu beschäftigen. In dem diesem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt war der englisch-sprachige Begriff „Elastane“ anstelle des im Anhang I zur TKVO verwendeten Begriff „Elasthan“ verwendet worden. Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass die Verwendung des englisch-sprachigen Begriffes unzulässig ist. Als Begründung wurde angeführt, dass der Begriff „Elastane“ nicht im Anhang I zur TKVO enthalten ist. Das Gericht hat keine Ausführungen dazu gemacht, ob der englisch-sprachige Begriff „Elastane“ eine Einbürgerung gefunden hat oder nicht. Es hat damit eine sehr formale Sichtweise eingenommen. Der englische Begriff „Elastane“ und der deutsche Begriff „Elasthan“ unterscheiden sich im Übrigen im Schriftbild nur geringfügig, vermutlich werden die angesprochenen Verkehrskreise wissen, was „Elastane“ bedeutet. Die Entscheidung des OLG Stuttgart mag daher ggf. nicht unbedingt überzeugen, ungeachtet dessen sollte sie beachtet werden. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.